Die magische Sprache der Großen Mutter (und die unserer Omas)

Besser wissen



Gerade habe ich auf der magischen Inanna Plattform eine Umfrage gepostet:



„Was ist keine Beere?

  • Aubergine

  • Himbeere

  • 
Banane

  • 
Kiwi


  • Gurke


  • Banane





Zugegebenermaßen eine etwas ungewöhnliche Umfrage, da es bei Inanna ja eigentlich um altes Wissen und die Renaissance der Magie geht.


Aber da die Frauen von Inanna generell über dem Stand der durchschnittlichen Belesenheit sind, haben die meisten gewusst, was in dieser Liste keine Beere ist.



Ich nehme an, du weißt es auch:

Die Himbeere ist als einzige unter all diesem Gemüse keine Beere (botanisch gesehen!).
 


 

Dass du es weißt (oder zumindest ahnst), liegt daran, dass eine Armee von Besserwissern (Lehrer, Redakteure, Blogger, Factchecker und andere Maschinen) nichts Wichtigeres zu tun haben, als dieses niedliche botanische Kuriosum pausenlos zu verbreiten, zu klonen und zu posten..


Wer weiß, dass die Himbeere keine Beere ist, ist auf dem Stand der Dinge.

Die Wilden und Ungebildeten, die dies nicht wissen, sollen sich schämen.

Meine Großmütter, die waren zum Beispiel nicht auf der Höhe der Zeit. Wenn ihnen jemand erklärt hatte, dass die Erdbeere keine Beere ist und die Melone aber durchaus, dann hätten sie einfach höflich gelächelt und das Gespräch beendet. 


Meine Omas hätten keinen Streit angefangen.

Das Leben hatte diese beiden alten Frauen gelehrt, dass Frauen, die eine eigene Meinng haben, nur mitleidig belächelt werden.



„Dummes altes Weiblein, sie weiß es halt nicht besser.“



Gewiss, als Kollektiv wissen wir eine Menge mehr Dinge als unsere Vorfahren. Dass wir als Einzelne tatsächlich mehr wissen oder weiser sind, wage ich zu bestreiten. 
 Das ist aber ein anderes Thema.

Alte Frauen zu verunglimpfen ist kein Zufall oder schlechte Erziehung. Das Wissen der Alten zu entwerten und insbesondere alte Frauen mit Herablassung zu betrachten, ist eine Methode des kulturellen Kolonialismus. 




Altes Wissen wird systematisch entwertet



Die Omas wussten vielleicht nichts von der botanischen Einordnung ihrer Gartenfrüchte. Aber ihre Beerensträucher hingen Jahr für Jahr voll von Sammelnussfrüchten und Sammelsteinobst.

Die Omas verstanden sich darauf, ihre Beeren einzukochen und Marmelade zu kochen. 
Das genügte. 
Es brachte sie durch Kriege und Armut. Es half ihnen, als Kriegswitwen ohne das kleinste bisschen Hilfe ihre Kinder großzuziehen und bei Verstand zu bleiben.

Bis ihr Wissen irgendwann nicht mehr genügte und sie sich schämen sollten mit ihren vier Jahren Grundschule und ihrem reifen Alter. 

 



Hinter der Diskreditierung alter Frauen, „einfacher“ Frauen, die keinen Zugriff auf akademisches herrschaftliches Wissen haben, steckt uralte Methode.








Wenn jemand ein Volk unterdrücken will, werden zuerst die Frauen, die Alten, die Religion und die Sprache zerstört. 








Die Regeln des kulturellen Kolonialismus:



Es sind in den meisten Kulturen die alten Frauen, die über genügend Zeit und Weisheit verfügen, um die alten Geschichten und Traditionen weiterzugeben.

In nicht-schriftlichen Kulturen waren mündliche Geschichten die Form, in der die Essenz einer Kultur erhalten wurde.



Um eine Kultur zu zerstören, ist es notwendig, zuerst die Frauen zu zerstören. 



Die jungen Frauen, die die Kinder gebaren, wurden ermordet oder zwangsgeschwängert.

Ein Frau mit Kind ist erpressbar und nahezu wehrlos. 


(Das gilt bis heute und wird bis heute auf der ganzen Welt so praktiziert.)






Die alten Frauen aber sind zäh. Sie mussten dauerhaft diskreditiert werden. Denn es waren die Greisinnen, die mit ihren Geschichten, die Kultur immer wieder neu erschufen.


Wohl in jeder alten Kultur gibt es Mythen von alten Spinnerinnen oder Weberinnen, die die Fäden der Schicksale spinnen und vernetzen und abschneiden.

Die Parzen. Frau Holle. Die Spinnengroßmutter. Dornröschen. Frauen spannen das Gewebe der Realität. Sie erzählten Geschichten und durchtränkten jedes Wort mit ihrer Weisheit.

Also zerstörte man ihre Sprache. Man verbot ihre Rituale und verdrehte ihre traditionelle Spiritualität bis nichts Bemerkenswertes übrig blieb.

Nun konnte man sich getrost über den Aberglauben der alten Weiber lustig machen. 



Kultureller Kolonialismus ist ein schleichender, fast unmerklicher, aber sehr fein ausgeklügelter Prozess






Erst beten wir alle brav nach: 




Eine Erdbeere ist keine Beere. 

Eine Himbeere ist keine Beere.

Eine Brombeere ist keine Beere.



Das ist ja eigentlich witzig. Es tut auch gar nicht weh. 





Zugleich fühlen wir uns alle ein klein wenig schlau, weil wir etwas Ulkiges wissen, was nicht alle wissen.

Insbesondere wenn wir meistens die Dummen sind, fühlt sich das plötzliche Besserwissen ziemlich klasse an.






Überlegenheit ist eine scharfe Waffe, wenn diese Waffe einer passiv alles nachplappernden Menge in die Hand gedrückt wird.


Wir haben die Methode in den letzten Jahren zur Genüge beobachten dürfen und wir haben auch erlebt, wie nachhaltig damit der Zusammenhalt von Gemeinschaften und Familien zerstört werden kann.







Und darum geht es in all diesen Fällen: Die Atomisierung eines Volkes und die Versklavung der Einzelnen, die ohne Gemeinschaft und ohne Sprache vollkommen wehrlos sind.






Zurück zur Zerstörung des Wissens

 unserer Ahnen






Darf ich das wiederholen?:



Wenn jemand ein Volk unterdrücken will, werden zuerst die Frauen, die Alten, ihre Religion und ihre Sprache zerstört.






Die Frauen zu zerstören, ist besonders demoralisierend, denn Frauen geben in den meisten Kulturen die Sprache und die Spiritualität an die Kinder weiter. 



Es ist heutzutage nicht mehr notwendig, die Frauen zu vergewaltigen oder zu verbrennen. Im Informationszeitalter ist Lächerlichmachen und öffentliches Verunglimpfen genug. 








Komische alte Schachtel! Hässliche Schrulle. Böse Terf!









Meine Großmütter hatten eine sehr genaue Vorstellung davon, was in der Sprache Goethes und Rilkes eine Beere ist. Sie bauten sie im eigenen Garten an.








Zu wissen, was eine Beere ist, ist gelebte, gefühlte und von Generation zu Generation weitergegebene Kultur.








Nun wird uns die viszeral erlebte Gewissheit um die Bedeutung unserer Muttersprache genommen.






Es gibt nichts, was Menschen mehr verunsichert, als wenn ihre Sprache ihre Bedeutung verliert. Die Realität beginnt zu verschwimmen.






Die Welt fühlt sich nicht mehr wie ein Zuhause an.






Wir wissen nicht mehr, was wir wissen. 


Und wer sich nicht belehren lassen will oder sich beschwert, ist eine komische, ungebildete alte Schachtel oder, je nachdem worum es geht, auch mal eine Terf und bekommt Todesdrohungen.



Aber Christine, atme mal tief durch. Ist doch ganz witzig, dass eine Banane eine Beere ist. Was soll daran so schlimm sein?








WAS DARAN SO SCHLIMM SEIN SOLL?








Dass sie uns die Sprache nehmen - die Sprache unserer Großmütter?


Dass sie uns dressieren, wieder und wieder, beschämt den Kopf zu senken und einzusehen, dass unser altes, tief gefühltes Wissen, mit einem Mal nicht mehr gilt?



Gut, dass du fragst!






Es geht mir nicht um die Bananenbeeren oder Tomatenbeeren. Es geht mir um unsere Fähigkeit, die Dinge unseres Lebens zu benennen, ohne Google oder andere maschinelle Factchecker und Kommunikatonspolizisten um Erlaubnis zu fragen.






Kultureller Kolonialisms nimmt uns unsere Realität und macht uns zu kopflosen Sklaven






Menschen die Sprache zu nehmen, bedeutet, ihnen den Boden unter den Füßen wegzuziehen.






Es ist ein ausgeklügelter Prozess und fängt ganz einfach an. Es ist wie das berühmte Kochen von Fröschen

.

(Das Kochen von Fröschen ist eine unwahre aber plastische Metapher, die beschreibt, wie Frösche, als Kaltblüter, nicht bemerken, wenn man sie in einen Topf mit kaltem Wasser setzt und diesen langsam zum Kochen bringt. Sie bleiben, angeblich, brav sitzen und lassen sich garkochen.

)



Wir sitzen also in diesem metaphorischen Topf, der langsam erhitzt wird und sagen zu allem, was uns gesagt wird, immer nur ja.

Schließlich hat man uns seit ein paar Generationen eingebläut, blindlings der Wissenschaft zu vertrauen.



(Wissenschaftler sind jene tollen Leute, die gut in Mathe sind und uns schon ganz viele tolle Dinge brachten.)





Orwellianische Umerziehung: Sag ja zur Lüge

„Newspeak“ hat George Orwell es genannt, wenn Menschen nachplappern mussten, was sie nicht dachten.





  • Eine Himbeere ist keine Beere. 



  • Heilkräuter heilen nicht.



  • Niemand weiß, was eine Frau ist. 



  • Männer können menstruieren.



  • Ein Kind zu gebären, macht keine Mutter aus der Gebärmutterbesitzerin.

  • 

Freiheit erfordert systematische Kontrolle. 





So geht es weiter und weiter. Es wird immer absurder und die Frösche nicken, sagen eifrig “ja” und sind mega stolz, dass sie so schlau sind.

Die Frösche sind keine abergläubischen alten Schachteln.

Die Frösche „vertrauen der Wissenschaft“. Die Wissenschaftler haben studiert.

Wer da immer noch diskutiert, entlarvt sich als dumm und rückständig.

Wir werden nicht zum ersten Mal um unsere innere Wahrheit betrogen.



Jene Leute, die uns erklären, was eine Beere ist und was keine Beere ist, sind die gleichen Leute, die uns pausenlos erklären, dass Heilkräuter Placebo sind, also wirkungslos, und zugleich aber giftig und gefährlich.



Die gleichen Leute haben uns auch schon erklärt, dass Frauen keinen Verstand und Kinder kein Schmerzgefühl und Tiere keine Seele haben.



Und wer ihnen nicht glaubte war ein albernes, unwissendes und sentimentales Weib.



So eine Verrückte alte Tante sprach womöglich sogar mit Pflanzen oder nahm Fliegenpilze ein. 





Die “Wissenden” aber waren wissend genug, zu wissen, dass Fliegenplze tödlich sein sollen, während es ihrer Meinng nach vollkommen normal war, Menschen, überwiegend Frauen, mit seelischen Problemen das Gehirn zu verstümmeln oder mit Elektroschocks oder Insulinkomatas zu verbraten. 



Heutzutage erklären sie uns, dass eine Frau nicht notwendigerweise weiblichen Geschlechtes sein muss und eine Leihmutter keine Mutter ist sondern der Kunde, der das Kind kauft. 


Und die Fröschlein nicken zu allem und sind mächtig stolz.

Eine Frau, die das anderes sieht, ist eine Häretikerin. 



Religiöse und wissenschaftliche Überwisser haben uns Frauen immer wieder auf herablassende Weise Dinge erklärt und verlangt, gegen unser tiefes inneres Wissen zu handeln.

Sie haben uns gefoltert und getötet. Sie haben sich über uns lustig gemacht. Dumme, abergläubische Weiber, haben sie uns genannt. Und wenn wir es immer noch nicht einsahen, haben sie uns verbrannt.



Und das hat beileibe nicht geendet.

Die Umerziehung und Vernichtung weiblicher Kultur ist immer noch in vollem Gange

Es sind immer die gleichen Leute. Immer, immer wieder die gleichen.



Wie lange noch wollen wir es diesen Leuten überlassen, die Wahrheit für uns zu definieren?


Zurück zur Frage mit der Beere:





Ja. Ich weiß sehr gut, was eine Beere ist.

Ich habe sie einst in den Gärten meiner Großmütter gepflückt.


Da gab es Himbeeren, Blaubeeren, Stachelbeeren, Erdbeeren, Johannisbeeren und Brombeeren. 
All diese Essbarkeiten wurden und werden in der deutschen Sprache „Beeren“ genannt.



Wenn Botaniker ihre eigenen Klassifikationen haben, ist das ihr gutes Recht. Jede Subkultur hat ihre eigenen kuriosen Bezeichnungen und Riten. Mögen die Botaniker so viel Freude an ihrer Sprache haben, wie ich an der meiner Großmütter. 




Und es ist vollkommen unnötig, mir wie einem dummen kleinen Kind immer wieder zu erklären, dass eine Gurke eine Beere ist und eine Erdbeere nicht. 


Nein.

Es ist nicht unnötig. Es ist übergriffig. Gewaltsam.
Meine Sprache funktioniert und sie spiegelt meine Realität. Mein Denken baisert auf meiner Sprache. Wer meine Sprache verändern will, greift damitdirekt mein Denken an.

Und das erlaube ich nicht.


Ich lasse mich nicht infantilisieren und mir in Form von Sprache Dinge einimpfen, die in meiner Welt nicht so sind. 





Ich bin deswegen nicht “dumm” oder “uneinsichtig”. Es fällt mir gar nicht schwer, mein Denken zu revidieren und wenn ich meine Realität ändern will, beginne ich bei meiner Sprache. Dies tue ich aber nur dann, wenn meine innere Weisheit es gebietet. Nur dann.



Meine Muttersprache ist mächtig genug, die Dinge zu sagen, die ich sagen will und sie erlaubt mir, zu verändern und zu kreieren, wie ich es will.

Meine Wörter sind zutiefst verwoben in ein Netz von Imagination und uraltem Geheimnissen.

Sie verbinden mich mit dem Wissen meiner Ahninnen. Ich kann Zaubersprüche und magische Gedichte damit weben. Ich kann singen und mit meinem Unterbewusstsein reden. Ich kann Archetypen und Figuren aus Mythen und Märchen heraufbeschwören. Ich kann mich selbst hypnotisieren und ich kann Geschichten und Bücher schreiben.

Meine Sprache ist nicht beliebig sondern magisch und sie gehört mir und meinen Ahninnen.



Dort, wo meine Sprache endet, beginnt das große Mysterium. Und auch darüber mag ich nicht belehrt werden. Denn wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen. 




christine li3 Comments